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Die Billionenbombe
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Dachzeile
DAS DEUTSCHE NACHRICHTEN-MAGAZIN
Hausmitteilung
23. November 2009
Betr.: Titel, Nato, Wachkoma, SPIEGEL GESCHICHTE
V or gerade mal einem Jahr sah sich die Welt am Abgrund: Banken krachten zu-
sammen, Menschen bangten um ihr Erspartes, und höchstbezahlte Manager
schlichen kleinlaut durch die Finanzdistrikte und riefen nach dem Staat. Der nahm
sich sogleich in die Pflicht, legte gigantische Konjunkturprogramme auf, und siehe da:
Gewinne sprudeln, Aktienindizes steigen,
Dividenden fließen wieder. „Mit staatlicher
Unterstützung hat sich inzwischen längst
eine neue Spekulationsblase gebildet“, sagt
Titelautor Gabor Steingart, 47. Die Frage
ist nur, wann sie platzt. Gemeinsam mit
seinen Kollegen Christoph Pauly, 49, Wolf-
gang Reuter, 44, Gregor Peter Schmitz, 34,
Thomas Schulz, 36, und Wieland Wagner,
50, hat Steingart an den Börsenplätzen von
New York, Frankfurt, London und Shang-
hai beobachtet, wie sich Finanzjongleure
erneut hemmungslos bereichern. Nach-
denkliche Stimmen sind rar geworden, wie jene von US-Notenbankchef Ben Bernanke,
den Steingart bei einem Abendessen traf: „Er weiß, dass der Staat sich wieder aus der
Wirtschaft zurückziehen muss“, sagt Steingart, „er weiß nur nicht, wie“ (Seite 72).
Steingart
Präsident Dmitrij Medwedew, 44, im SPIEGEL-Gespräch (46/2009): Der Westen
habe 1990 versprochen, die Nato nicht nach Osten auszudehnen, das Gegenteil geschah.
Die SPIEGEL-Redakteure Uwe Klußmann, 48, Matthias Schepp, 45, und Klaus Wie-
grefe, 44, sind der Sache nachgegangen. Sie haben mit damaligen Akteuren gesprochen,
mit Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher, 82, etwa, mit dessen früherem Kolle-
gen Eduard Schewardnadse, 81, und dem ehemaligen sowjetischen Staatschef Michail
Gorbatschow, 78. Wiegrefe konnte zudem bislang vertrauliche Dokumente einsehen.
Sein Fazit: „Bonn wollte unbedingt die deutsche Einheit, da hat man in Moskau den
Eindruck erweckt, eine Nato-Osterweiterung sei ausgeschlossen“ (Seite 46).
Patient ohne Hoffnung auf Wiederkehr. Tatsächlich aber verbrachte er die ganze
Zeit bei Bewusstsein. Nach einem Autounfall war Houben lediglich gelähmt; deshalb
konnte er sich nie bemerkbar machen. Zufällig entdeckten Neurologen in Lüttich, dass
der Patient ein fast völlig intaktes Gehirn hat. SPIEGEL-Redakteur Manfred Dwor-
schak, 50, begegnete dem Mann in einem Pflegeheim in Zolder. Die Betreuer waren
zunächst skeptisch: Houben antworte prinzipiell nur, wenn er bei guter Laune sei, also
selten. Doch es gelang. Eine Stunde lang gab Houben bereitwillig Auskunft – mit Hilfe
einer Spezialtastatur kann er sich inzwischen mitteilen. „Er tippt sehr konzentriert,
sehr eilig“, sagt Dworschak, „als wolle er Verpasstes aufholen“ (Seite 134).
burger: Aus gräflichen Anfängen in der Schweiz wuchs das
Fürstengeschlecht zur Weltgeltung empor; große Herrscher-
gestalten wie der „letzte Ritter“ Maximilian I., Maria Theresia
oder Österreichs Kaiser Franz Joseph mit seiner Gattin Elisabeth
(„Sisi“) überhöhten den Namen Habsburg zum Symbol mensch-
lich-glanzvoller Aristokratie. „Die Habsburger“, das neue Heft
der Reihe SPIEGEL GESCHICHTE, ist von Dienstag an für
6,80 Euro im Handel.
Im Internet: www.spiegel.de
der spiegel
48/2009
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D er Vorwurf ist alt, doch er wird immer neu erhoben – wie kürzlich von Russlands
E in wahrer Horror: 23 Jahre lang galt der Belgier Rom Houben, 46, als Wachkoma-
K aum eine Dynastie hat Europa so geprägt wie die Habs-
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In diesem Heft
Titel
Eine neue Spekulationsblase bedroht
die Weltwirtschaft ............................................ 72
SPIEGEL-Gespräch mit dem Schriftsteller
Martin Suter über das Wesen von Top-Managern,
den Wertewandel in der Wirtschaft und
die Geld-Fixiertheit seiner Schweizer Heimat ... 84
Brüderle blockiert Hilfen für Opel Seite 22
Die Koalition streitet über Staats-
hilfen für den angeschlagenen
Autokonzern Opel. Wirtschafts-
minister Rainer Brüderle (FDP)
ist strikt gegen neue Subventio-
nen, doch Kanzlerin Angela
Merkel und die CDU-Minister-
präsidenten werden General Mo-
tors (GM) wohl Geld geben, um
Fabriken in Deutschland zu ret-
ten. „Das Risiko ist groß, dass
GM versucht, bei den Regierun-
gen das Höchstmögliche heraus-
zuschlagen“, warnt EU-Kommis-
sar Günter Verheugen.
Deutschland
Panorama: Empörung über Papst-Audienz für
Skandalsänger / Minister fordern Haushalts-
nachschlag für 2010 / Guantanamo-Häftling
wünscht Abschiebung nach Deutschland .......... 17
Wirtschaftspolitik: Der Konflikt um
Staatshilfen für Opel wird zur Zerreißprobe
für die schwarz-gelbe Koalition ........................ 22
Interview mit EU-Kommissar Günter
Verheugen über den Opel-Gipfel in Brüssel ..... 24
Union: Wie die Vertriebenenpräsidentin
Erika Steinbach die Kanzlerin nervt ................. 26
Hamburg: Das Volksbegehren gegen
die Schulreform bringt die schwarz-grüne
Koalition in Schwierigkeiten ............................ 28
Kommentar: Das Übel des
Bildungsföderalismus ....................................... 29
SPD: Die Genossen suchen wieder einmal
nach der Mitte .................................................. 30
Völkerrecht: Warum die deutsche Justiz
Jahre brauchte, um zwei mutmaßliche
Kriegsverbrecher aus Ruanda festzunehmen .... 32
Energie: Weshalb die Strompreise
schon wieder steigen ........................................ 34
Justiz: Das bewegende Schicksal der
Nebenkläger im Prozess gegen den
mutmaßlichen KZ-Aufseher Demjanjuk ........... 36
Terrorismus: Der New Yorker Prozess gegen
Drahtzieher des 11. September wird
zur Belastung für das deutsch-amerikanische
Verhältnis ......................................................... 38
Außenpolitik: Jerusalem wundert sich über
die Zurückhaltung von Schwarz-Gelb .............. 39
Zeitgeschichte: Verstieß die
Nato-Osterweiterung gegen westliche
Zusagen an Moskau? ........................................ 46
Bildung: Solidaritätsbekundungen für die
protestierenden Studenten ................................. 52
Kirche: Die Opfer eines betrügerischen
Priesters fordern Entschädigung ....................... 56
Opel-Montage in Rüsselsheim
Die Sünden der HSH-Manager Seite 104
Interne Papiere aus der HSH Nordbank belegen: Der neue Vorstand Martin van Gem-
meren war jahrelang verantwortlich für fehlerhafte Risikoberichte, die zur Schieflage
der Bank beitrugen. Auch beteiligt: der heutige Bankchef Jens Dirk Nonnenmacher.
im Streik Seite 52
Die Studenten in Deutschland zie-
hen auf die Straße und besetzen Hör-
säle. Ihr Protest findet ungewöhnlich
viele Sympathisanten. Von den Bil-
dungsministern bis zu den Hoch-
schulrektoren verkünden nun alle,
dass das mit Lernstoff überfrachtete
Bachelor- und Master-Studium refor-
miert werden muss. Nur eigene Feh-
ler will niemand zugeben – dabei hät-
ten viele Missstände leicht vermie-
den werden können.
Gesellschaft
Szene: Porno-Ratgeber für Frauen /
Extrem-Golf in Südafrika ................................. 59
Eine Meldung und ihre Geschichte – über
einen deutschen Lehrer, der dem russischen
Gefängnis entkam ............................................. 60
Einsamkeit: Wie sich Witwer und Witwen
in Selbsthilfegruppen auf
ein neues Leben vorbereiten ............................ 62
Ortstermin: In Bremen wurde das Elektro-
Mobil des Autobauers Karmann vorgestellt ...... 71
Studentenprotest in Dresden
Durch den Tod geschieden Seite 62
Jedes Jahr werden mehr als 300 000 Deut-
sche zu Witwern oder Witwen. In Selbst-
hilfegruppen versuchen viele von ihnen,
das Schicksal zu verarbeiten und Kraft zu
finden für einen Neuanfang. Innerlich sei
sie tot, sagt etwa die Hamburgerin Ilka Rei-
neke, seit einem Jahr Witwe: „Mein Pro-
blem ist, dass man mir meinen Kummer
nicht ansieht.“ Manchen gelingt es nach
einer Weile, sich auf einen neuen Lebens-
partner einzulassen, andere bleiben für im-
mer gefangen in der Erinnerung.
Wirtschaft
Trends: VW mit Audi unzufrieden / Interview
mit dem Wirtschaftsweisen Wolfgang Franz
über seinen Konflikt mit der Regierung / Risiko
des EC-Karten-Betrugs wächst ......................... 88
Affären: Weshalb die Siemens-Spitze ihre
Vorgänger zur Rechenschaft ziehen muss ....... 102
Verbraucherschutz: Wie Konzerne
an vorzeitig gekündigten Versicherungen
verdienen ........................................................ 103
Finanzkrise: Das Risikomanagement
der HSH Nordbank versagte katastrophal ...... 104
Reineke
8
der spiegel
48/2009
Sympathieträger
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Ashton Van Rompuy
Ausland
Panorama: Irans Botschafter bei der IAEA
in Wien über die Eskalation des Nuklear-
konflikts / Wo die CIA in Litauen folterte ...... 108
Europa: Die blaue neue Führungsspitze ......... 110
SPIEGEL-Gespräch mit Spaniens
Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero
über den erhofften Neuanfang Europas .......... 111
Iran: Wie sich das Regime an der Journalistin
Fariba Padschuh rächt ..................................... 114
USA: Wenig Erfolg für Obamas Außenpolitik ... 116
Diplomatie: SPIEGEL-Gespräch mit
dem amerikanischen Sonderbotschafter für
Afghanistan, Richard Holbrooke, über
Washingtons neue Kriegsstrategie ................... 117
Italien: Was die Tagebücher der Mussolini-
Geliebten Petacci über den „Duce“ verraten ... 120
Brasilien: Präsident Lula auf der Woge
des Erfolgs ...................................................... 124
Global Village: In der größten
Waffenschmiede der Philippinen .................... 128
Europa? Seite 110
Gemeinsam mit dem neuen ständigen
Ratspräsidenten Van Rompuy und der
EU-Außenministerin Ashton will Spa-
niens Premier Zapatero für frischen
Schwung in Europa sorgen. Im Wettbe-
werb mit den USA und China räumt der
Spanier den Europäern gute Chancen
ein: „Wir spielen in der ersten Liga.“
Zapatero
Wissenschaft · Technik
Prisma: Mehr Windstrom durch Rotorschwärme /
Japaner nutzten U-Boote als Flugzeugträger ... 131
Ethik: Bei vollem Bewusstsein im Koma –
das wundersame Erwachen des belgischen
Patienten Rom Houben .................................. 134
Medizin: Wohin mit den Plutoniumbatterien
alter Herzschrittmacher nach dem Tod
der Patienten? ................................................ 140
Automobile: Das neue Modell von Ferrari .... 142
Gekaufter Fußball S. 174
Nachdem die Bochumer Staatsanwaltschaft
bei einer bundesweiten Razzia eine Bande
mutmaßlicher Wettbetrüger um den Kroa-
ten Ante Sapina verhaften ließ, zeigt sich
nun das Ausmaß der Manipulation: Rund
200 Spiele sollen in europäischen Fußball-
Ligen verschoben worden sein, 32 davon in
Deutschland. Offensichtlich ließen sich nicht
nur Spieler bestechen – in einem Fall wird
auch ein DFB-Schiedsrichter verdächtigt,
Schmiergeld kassiert zu haben.
Sapina 2005
Kultur
Szene: Fortsetzung im Streit um das
verbotene Maxim-Biller-Buch „Esra“ /
Hollywood-Regisseure Tim Burton und
David Lynch als bildende Künstler .................. 144
Legenden: Wie DDR-Intellektuelle die Wende-
zeit erlebten und was aus ihnen wurde ........... 146
Bestseller ...................................................... 151
Film: Bruno Ganz bei den Dreharbeiten zu
„Das Ende ist mein Anfang“ ............................ 154
Stars: Interview mit dem britischen
Schauspieler Rupert Everett über das Film-
geschäft und seine Rolle als Kino-Schwuler .... 156
Essay: Die Anzüge unserer Politiker ............. 160
Fernsehkritik: Harald Schmidt in der ARD ... 164
Plutonium neben dem Herzen Seite 140
Früher setzten Kardiologen vielen Herzkranken Schrittmacher mit
einer Plutoniumbatterie ein. Einige dieser Patienten leben noch
heute. Insbesondere die Russlanddeutschen unter ihnen sind nir-
gendwo erfasst. Wo bleibt der giftige Strahlenstoff nach dem Tod?
Atom-Herz-
schrittmacher
Medien
Trends: Verliert Sky seinen Chef? / N24 wird
zurechtgestutzt ............................................... 167
Rundfunkfreiheit: Die ZDF-Personaldebatte
wird zum Grundsatzstreit ............................... 168
Offener Brief von 35 Staatsrechtlern für
die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen
Fernsehens ....................................................... 171
schönen Frauen Seite 156
Er drehte mit Madonna, Julia Roberts und
posierte mit Models wie Naomi Campbell.
Der britische Schauspieler Rupert Everett
spricht im SPIEGEL über seine Arbeit und
sein Schwulsein. Everetts Resümee: „Die Welt
des Films ist total enttäuschend.“
Sport
Szene: Bundestrainer Dirk Lange über die
Rekordflut im Schwimmen / Ein Afrikaner
begeistert die Baseballfans in den USA ........... 173
Fußball: Ein neuer Wettskandal erschüttert
auch deutsche Clubs ....................................... 174
Autorennen: Trotz Wirtschaftskrise finanziert
Mercedes ein eigenes Formel-1-Team .............. 178
Briefe ............................................................... 10
Impressum, Leserservice ........................... 180
Register ......................................................... 182
Personalien ................................................... 184
Hohlspiegel /Rückspiegel ........................... 186
Titelbild: Illustration Michael Pleesz für den SPIEGEL
Foto Umklapper Schweiz: dpa
Everett, Madonna, Campbell
9
Neustart für
Der Freund der
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Briefe
„Ein hervorragender Artikel, gut recher-
chiert, fundiert belegt und (hoffentlich) auf-
rüttelnd. Sie haben ins Schwarze getroffen!
Als Chefarzt einer akutpsychiatrischen
Krankenhausabteilung würde ich gern den
Beitrag als Pflichtlektüre an das Pflegeteam
sowie die Assistenzärzte verteilen lassen.“
Plötzlich gibt es nichts Wichtigeres, als ei-
nes Sportlers zu gedenken, der gerade mal
32 Jahre alt wurde. Ein guter Torwart,
ohne Frage, aber nun gewiss kein Held,
bei allem Respekt. Er hat keine Passagiere
vor Absturz und Tod gerettet – um nur ein
Beispiel zu nennen. Und all diese Eitelkei-
ten, die sich auf der Trauerfeier abgespielt
haben, haben Robert Enke in keiner Wei-
se entsprochen. Ganz im Gegenteil.
Bad Homburg (Hessen)
Adrian Koerfer
SPIEGEL-Titel 47/2009
Dr. med. Uwe N. Reinert aus Alzey (Rhld.-Pf.) zum Titel
„Die Angst vor dem Leben – Der Fall Robert Enke: Was Menschen
den Halt verlieren lässt“
Wie wäre es denn, wenn Sie 100 mutige
Promis – vor allem aus den Bereichen
Wirtschaft und Politik – nachdrücklich an-
regen, sich zu outen? Wie damals, in den
Siebzigern, die „Stern“-Aktion „Wir ha-
ben abgetrieben!“ – heute: „Ich hatte eine
Depression!“? Nicht ein Deisler, einsam
und allein auf weiter Flur, sondern viele!
Vorübergehende kollektive Betroffenheit
ist scheinheilig und wirkungslos. Nur ge-
meinsam sind wir stark im Kampf gegen
gefährliche Tabuisierungen!
Berlin
Gefährliche Tabuisierung
Nr. 47/2009, Titel: Die Angst vor dem Leben – Der Fall
Robert Enke: Was Menschen den Halt verlieren lässt
Die ungeheure Beachtung des Tods von
Robert Enke gründet in der Erleichterung
vieler Menschen, dass jemand ohne mate-
rielle Not quasi öffentlich eingesteht, wel-
che Rolle Angst und Furcht in der mensch-
lichen Seele spielen.
Hamburg
Der Artikel würdigt das Leben Robert En-
kes und seiner Familie mit der Erkrankung
Depression mit solcher Klarheit und emo-
tionalen Wucht, dass es einem schlicht die
Sprache verschlägt.
Bremen
Dr. med. Jacobus Reimers
Christiane von Herder
Hoffentlich werden ab sofort die zahlrei-
chen Depressionsselbsthilfegruppen nicht
mehr als sonderbare „Psychos“ von der
Jochen Schwanekamp
Das ist die Tragik des Robert Enke. Er war
einer der ganz wenigen Spitzensportler, dem
die Öffentlichkeit die klinische Behandlung
der Depressionen „verziehen“ hätte. Es hät-
te ihn zum lebenden Vorbild einer neuen
Einstellung machen können. So wird Enke
„nur“ zu einer weiteren Legende.
Münster (Nrdrh.-Westf.) Reinhold Tebtmann
Selten hat mich ein Artikel, frei von Schuld
oder Opfer, so aufgewühlt und mir gleich-
zeitig so viele neue Erkenntnisse gebracht.
Depressionen müssen irgendwann einen
Stellenwert wie ein Beinbruch haben, da-
mit niemand sich schämt, sich behandeln
zu lassen. Ihr Titel ist ein erster Anfang.
Dortmund
Marian Laske
Ich hatte 2002 eine schwere Depression mit
Angstzuständen, die erst spät als solche
erkannt wurde. Es folgte ein Klinikaufent-
halt, der mich einigermaßen stabilisierte.
Seitdem konnte ich die depressive Phasen
mit Hilfe meiner Ärztin in den Griff be-
kommen. Allerdings bin ich seit dem Aus-
bruch der Krankheit ein anderer Mensch
mit weniger Lebensfreude, latenten Ängs-
ten. Dieser Aspekt der Krankheit ist für
mich mit der schlimmste, ich musste ler-
nen, damit zu leben, mich oft selbst über-
listen und (Überlebens-)Strategien ent-
wickeln. Dies kostet sehr viel Energie, die
mir oft für meine Familie fehlt.
Ettenheim (Bad.-Württ.) Rebekkah Kündiger
Enkes Freitod besitzt für mich Symbolcha-
rakter. Er wählte diesen Weg als (Los-)Lö-
sung. Auch ich habe an Depressionen gelit-
ten. Es ist ein Teufelskreis und nur mit der
Einsicht, dass man wirklich nur diese eine
Chance hat, das Leben mit allen Höhen und
Tiefen genießen zu können, habe ich wieder
einen Platz im Leben gefunden. Der gesell-
schaftliche Druck ist in erschreckendem
Maße angewachsen und führt dazu, dass eine
ganze Generation junger Menschen zwi-
schen 25 und 35 unter der Angst leidet, nicht
das Richtige zu tun, etwas zu verpassen und
die falschen Entscheidungen zu treffen. Doch
wie soll man diesen Menschen die Angst
nehmen? Es ist in Zeiten der aufoktroyierten
Finanz- und Wirtschaftskrise doch wohl ein
schlechter Witz zu sagen: „Stell dich nicht so
an! Morgen wird alles besser!“
Hamburg
Nationaltorwart Enke 2008
Freitod mit Symbolcharakter
Öffentlichkeit belächelt oder allenfalls in
Sonntagsreden toleriert, sondern ernst ge-
nommen und vor allem unterstützt! Dass
es bislang so war, sollte uns allgemein be-
troffen machen und zur Umkehr bewegen.
Bei all der berechtigten und nachvollzieh-
baren Trauer sollte jedoch zumindest eine
Person nicht vergessen werden: Wie fühlt
sich wohl der Lokführer, der Enke mit sei-
nem Gefährt überrollte? Welche Schatten
wirft dieses Erlebnis auf ihn, seine Psyche,
Dienstfähigkeit und Familie?
Fürth (Bayern)
Horst Arnold
Solange Arbeit und Leistung in unserer Ge-
sellschaft vergöttert werden und jeder, der
beides nur bedingt erbringen kann, als un-
tauglich und faul verachtet wird; solange
Jutta Ritter
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• Titel Die globale Schuldenpolitik führt zu einer neuen
Spekulationsblase – wie kann der große Knall verhindert
werden? www.spiegel.de/forum/Billionenblase
• Bildung Sind die Studentenproteste berechtigt?
www.spiegel.de/forum/Studentenprotest
• Vertriebene Soll Erika Steinbach Mitglied im Beirat der
Stiftung werden? www.spiegel.de/forum/Steinbach
Der Tod von Robert Enke ist traurig, die
Umstände sind gewiss tragisch. Das Me-
dienecho jedoch und die öffentliche Reak-
tion sind absolut unverhältnismäßig. Enke
ist am Leben gescheitert. Wann dürfen wir
mit der gleichen Anteilnahme und öffent-
lich-rechtlichen Wahrnehmung für die
deutschen Soldaten, die in Afghanistan für
Demokratie und Freiheit sterben, rechnen?
Landau (Rhld.-Pf.)
Rüdiger Weißflog
10
der spiegel
48/2009
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Zgłoś jeśli naruszono regulamin