Der Goldene Topf - E. T. A. Hoffmann.pdf

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The Project Gutenberg eBook, Der Goldene Topf, by E. T. A. Hoffmann, Illustrated by
Edmund Schaefer
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Title: Der Goldene Topf
Author: E. T. A. Hoffmann
Release Date: December 20, 2005 [eBook #17362]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER GOLDENE TOPF***
E-text prepared by Robert Kropf
and the Project Gutenberg Online Distributed Proofreading Team
(http://www.pgdp.net/)
Transcriber's note: [ ] Korrektur von Satzfehlern / correction of typos
E.T.A. HOFFMANN:
DER
GOLDENE TOPF
MIT 11 FEDERZEICHNUNGEN VON EDMUND SCHAEFER
ERSTES BIS FÜNFTES TAUSEND
VERLAG VON GUSTAV KIEPENHEUER WEIMAR 1913
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ERSTE VIGILIE.
Die Unglücksfälle des Studenten Anselmus. Des Konrektors Paulmann Sanitätsknaster und die
goldgrünen Schlangen.
Am Himmelfahrtstage, Nachmittags um drei Uhr rannte ein junger Mensch in Dresden durchs
schwarze Tor und geradezu in einen Korb mit Äpfeln und Kuchen hinein, die ein altes häßliches
Weib feilbot, so daß Alles, was der Quetschung glücklich entgangen, hinausgeschleudert wurde,
und die Straßenjungen sich lustig in die Beute teilten, die ihnen der hastige Herr zugeworfen. Auf
das Zetergeschrei, das die Alte erhob, verließen die Gevatterinnen ihre Kuchen- und
Branntweintische, umringten den jungen Menschen und schimpften mit pöbelhaftem Ungestüm auf
ihn hinein, so daß er, vor Ärger und Scham verstummend, nur seinen kleinen nicht eben besonders
gefüllten Geldbeutel hinhielt, den die Alte begierig ergriff und schnell einsteckte. Nun öffnete sich
der festgeschlossene Kreis, aber indem der junge Mensch hinausschoß, rief ihm die Alte nach: Ja,
renne — renne nur zu, Satanskind — ins Kristall bald Dein Fall — ins Kristall! — Die gellende,
krächzende Stimme des Weibes hatte etwas Entsetzliches, so daß die Spaziergänger verwundert still
standen, und das Lachen, das sich erst verbreitet, mit einem Mal verstummte. — Der Student
Anselmus (niemand anders war der junge Mensch) fühlte sich, unerachtet er des Weibes sonderbare
Worte durchaus nicht verstand, von einem unwillkürlichen Grausen ergriffen, und er beflügelte
noch mehr seine Schritte, um sich den auf ihn gerichteten Blicken der neugierigen Menge zu
entziehen. Wie er sich nun durch das Gewühl geputzter Menschen durcharbeitete, hörte er überall
murmeln: »Der arme junge Mann — ei! über das verdammte Weib!« — Auf ganz sonderbare Weise
hatten die geheimnisvollen Worte der Alten dem lächerlichen Abenteuer eine gewisse tragische
Wendung gegeben, so daß man dem vorhin ganz Unbemerkten jetzt teilnehmend nachsah. Die
Frauenzimmer verziehen dem wohlgebildeten Gesichte, dessen Ausdruck die Glut des innern
Grimms noch erhöhte, so wie dem kräftigen Wuchse des Jünglings alles Ungeschick, so wie den
ganz außer dem Gebiete aller Mode liegenden Anzug. Sein hechtgrauer Frack war nämlich so
zugeschnitten, als habe der Schneider, der ihn gearbeitet, die moderne Form nur vom Hörensagen
gekannt, und das schwarzatlasne wohlgeschonte Unterkleid gab dem Ganzen einen gewissen
magistermäßigen Stil, dem sich nun wieder Gang und Stellung durchaus nicht fügen wollte. — Als
der Student schon beinahe das Ende der Allee erreicht, die nach dem Linkschen Bade führt, wollte
ihm beinahe der Atem ausgehen. Er war genötigt langsamer zu wandeln; aber kaum wagte er den
Blick in die Höhe zu richten, denn noch immer sah er die Äpfel und Kuchen um sich tanzen, und
jeder freundliche Blick dieses oder jenes Mädchens war ihm nur der Reflex des schadenfrohen
Gelächters am schwarzen Tor. So war er bis an den Eingang des Linkschen Bades gekommen; eine
Reihe festlich gekleideter Menschen nach der andern zog herein. Musik von Blasinstrumenten
ertönte von innen, und immer lauter und lauter wurde das Gewühl der lustigen Gäste. Die Tränen
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wären dem armen Studenten Anselmus beinahe in die Augen getreten; denn auch er hatte, da der
Himmelfahrtstag immer ein besonderes Familienfest für ihn gewesen, an der Glückseligkeit des
Linkschen Paradieses teilnehmen, ja er hatte es bis zu einer halben Portion Kaffee mit Rum und
einer Bouteille Doppelbier treiben wollen, und um so recht schlampampen zu können, mehr Geld
eingesteckt, als eigentlich erlaubt und tunlich war. Und nun hatte ihn der fatale Tritt in den
Äpfelkorb um alles gebracht, was er bei sich getragen. An Kaffee, an Doppelbier, an Musik, an den
Anblick der geputzten Mädchen — kurz — an alle geträumten Genüsse war nicht zu denken; er
schlich langsam vorbei und schlug endlich den Weg an der Elbe ein, der gerade ganz einsam war.
Unter einem Holunderbaume, der aus der Mauer hervorgesprossen, fand er ein freundliches
Rasenplätzchen; da setzte er sich hin und stopfte eine Pfeife von dem Sanitätsknaster, den ihm sein
Freund, der Konrektor Paulmann, geschenkt. — Dicht vor ihm plätscherten und rauschten die
goldgelben Wellen des schönen Elbstroms; hinter demselben streckte das herrliche Dresden kühn
und stolz seine lichten Türme empor in den duftigen Himmelsgrund, der sich hinabsenkte auf die
blumigen Wiesen und frisch grünenden Wälder, und aus tiefer Dämmerung gaben die zackichten
Gebirge Kunde vom fernen Böhmerland. Aber finster vor sich hinblickend blies der Student
Anselmus die Dampfwolken in die Luft, und sein Unmut wurde endlich laut, indem er sprach:
»Wahr ist es doch, ich bin zu allem möglichen Kreuz und Elend geboren! — Daß ich niemals
Bohnenkönig geworden, daß ich im Paar oder Unpaar immer falsch geraten, daß mein Butterbrot
immer auf die fette Seite gefallen, von allem diesen Jammer will ich gar nicht reden: aber ist es
nicht ein schreckliches Verhängnis, daß ich, als ich denn doch nun dem Satan zum Trotz Student
geworden war, ein Kümmeltürke sein und bleiben mußte? — Ziehe ich wohl je einen neuen Rock
an, ohne gleich das erstemal einen Talgfleck hineinzubringen, oder mir an einem
übeleingeschlagenen Nagel ein verwünschtes Loch hineinzureißen? Grüße ich wohl je einen Herrn
Hofrat oder eine Dame, ohne den Hut weit von mir zu schleudern, oder gar auf dem glatten Boden
auszugleiten und schändlich umzustülpen? Hatte ich nicht schon in Halle jeden Markttag eine
bestimmte Ausgabe von drei bis vier Groschen für zertretene Töpfe, weil mir der Teufel in den Kopf
setzt, meinen Gang geradeaus zu nehmen, wie die Laminge? Bin ich denn ein einziges Mal ins
Kollegium, oder wo man mich sonst hinbeschieden, zu rechter Zeit gekommen? Was half es, daß
ich eine halbe Stunde vorher ausging und mich vor die Tür hinstellte, den Drücker in der Hand?
denn so wie ich mit dem Glockenschlage aufdrücken wollte, goß mir der Satan ein Waschbecken
über den Kopf, oder ließ mich mit einem Heraustretenden zusammenrennen, daß ich in tausend
Händel verwickelt wurde und darüber Alles versäumte. — Ach! ach! wo seid ihr hin, ihr seligen
Träume künftigen Glücks, wie ich stolz wähnte, ich könne es wohl hier noch bis zum geheimen
Sekretär bringen! Aber hat mir mein Unstern nicht die besten Gönner verfeindet? — Ich weiß, daß
der geheime Rat, an den ich empfohlen bin, verschnittenes Haar nicht leiden mag; mit Mühe
befestigt der Friseur einen kleinen Zopf an meinem Hinterhaupt, aber bei der ersten Verbeugung
springt die unglückselige Schnur, und ein munterer Mops, der mich umschnüffelt, apportiert im
Jubel das Zöpfchen dem geheimen Rate. Ich springe erschrocken nach und stürze über den Tisch, an
dem er frühstückend gearbeitet hat, so daß Tassen, Teller, Tintenfaß, Sandbüchse klirrend
herabstürzen, und der Strom von Schokolade und Tinte sich über die eben geschriebene Relation
ergießt. Herr, sind Sie des Teufels? brüllt der erzürnte geheime Rat und schiebt mich zur Tür hinaus.
— Was hilft es, daß mir der Konrektor Paulmann Hoffnung zu einem Schreiberdienste gemacht hat?
Wird es denn mein Unstern zulassen, der mich überall verfolgt? — Nur noch heute! — Ich wollte
den lieben Himmelfahrtstag recht in der Gemütlichkeit feiern, ich wollte ordentlich was
daraufgehen lassen. Ich hätte eben so gut wie jeder andre Gast in Linkes Bade stolz rufen können:
Marqueur — eine Flasche Doppelbier — aber vom besten bitte ich! — Ich hätte bis spät Abends
sitzen können, und noch dazu ganz nahe bei dieser oder jener Gesellschaft herrlich geputzter
schöner Mädchen. Ich weiß es schon, der Mut wäre mir gekommen, ich wäre ein ganz anderer
Mensch geworden; ja, ich hätte es so weit gebracht, daß wenn diese oder jene gefragt: wie spät mag
es wohl jetzt sein? oder: was ist denn das, was sie spielen? da wäre ich mit leichtem Anstande
aufgesprungen, ohne mein Glas umzuwerfen, oder über die Bank zu stolpern; mich in gebeugter
Stellung anderthalb Schritte vorwärts bewegend, hätte ich gesagt: Erlauben Sie, Mademoiselle,
Ihnen zu dienen, es ist die Ouvertüre aus dem Donauweibchen, oder: es wird gleich sechs Uhr
schlagen. — Hätte mir das ein Mensch in der Welt übel deuten können? — Nein! sage ich, die
Mädchen hätten sich so schalkhaft lächelnd angesehen, wie es wohl zu geschehen pflegt, wenn ich
mich ermutige zu zeigen, daß ich mich auch wohl auf den leichten Weltton verstehe und mit Damen
umzugehen weiß. Aber da führt mich der Satan in den verwünschten Äpfelkorb, und nun muß ich in
der Einsamkeit meinen Sanitätsknaster — « Hier wurde der Student Anselmus in seinem
Selbstgespräche durch ein sonderbares Rieseln und Rascheln unterbrochen, das sich dicht neben
ihm im Grase erhob, bald aber in die Zweige und Blätter des Holunderbaumes hinaufglitt, der sich
über seinem Haupte wölbte. Bald war es, als schüttle der Abendwind die Blätter, bald als kosten
Vöglein in den Zweigen, die kleinen Fittiche im mutwilligen Hin- und Herflattern rührend. Da fing
es an zu flüstern und zu lispeln, und es war als ertönten die Blüten wie aufgehangene
Kristallglöckchen. Anselmus horchte und horchte. Da wurde, er wußte selbst nicht wie, das Gelispel
und Geflüster und Geklingel zu leisen halbverwehten Worten:
Zwischen durch — zwischen ein — zwischen Zweigen, zwischen schwellenden Blüten, schwingen,
schlängeln, schlingen wir uns — Schwesterlein — Schwesterlein, schwinge dich im Schimmer —
schnell, schnell herauf — herab — Abendsonne schießt Strahlen, zischelt der Abendwind —
raschelt der Abendwind — raschelt der Tau — Blüten singen — rühren wie Zünglein, singen wir
mit Blüten und Zweigen — Sterne bald glänzen — müssen herab — zwischen durch, zwischen ein
schlängeln, schlingen, schwingen wir uns Schwesterlein. —
So ging es fort im Sinne verwirrender Rede. Der Student Anselmus dachte: das ist denn doch nur
der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert. — Aber in dem Augenblick
ertönte es über seinem Haupte wie ein Dreiklang heller Kristallglocken; er schaute hinauf und
erblickte drei in grünem Gold erglänzende Schlänglein, die sich um die Zweige gewickelt hatten
und die Köpfchen der Abendsonne entgegenstreckten. Da flüsterte und lispelte es von neuem in
jenen Worten, und die Schlänglein schlüpften und kosten auf und nieder durch die Blätter und
Zweige; und wie sie sich so schnell rührten, da war es als streue der Holunderbusch tausend
funkelnde Smaragde durch seine dunklen Blätter. Das ist die Abendsonne, die so in dem
Holunderbusch spielt, dachte der Student Anselmus: aber da ertönten die Glocken wieder und
Anselmus sah, wie eine Schlange ihr Köpfchen nach ihm herabstreckte. Durch alle Glieder fuhr es
ihm wie ein elektrischer Schlag, er erbebte im Innersten — er starrte hinauf, und ein Paar herrliche
dunkelblaue Augen blickten ihn an mit unaussprechlicher Sehnsucht, so daß ein nie gekanntes
Gefühl der höchsten Seligkeit und des tiefsten Schmerzes seine Brust zersprengen wollte. Und wie
er voll heißen Verlangens immer in die holdseligen Augen schaute, da ertönten stärker in lieblichen
Akkorden die Kristallglocken, und die funkelnden Smaragde fielen auf ihn herab und umspannen
ihn, in tausend Flämmchen um ihn herflackernd und spielend mit schimmernden Goldfaden. Der
Holunderbusch rührte sich und sprach: »Du lagst in meinem Schatten, mein Duft umfloß Dich, aber
Du verstandest mich nicht: der Duft ist meine Sprache, wenn ihn die Liebe entzündet.« Der
Abendwind strich vorüber und sprach: »Ich umspielte Deine Schläfe, aber Du verstandest mich
nicht: der Hauch ist meine Sprache, wenn ihn die Liebe entzündet.« Die Sonnenstrahlen brachen
durch das Gewölk und der Schein brannte wie in Worten: »Ich umgoß Dich mit glühendem Gold,
aber Du verstandest mich nicht: Glut ist meine Sprache, wenn sie die Liebe entzündet.«
Und immer inniger und inniger versunken in den Blick des herrlichen Augenpaars, wurde heißer die
Sehnsucht, glühender das Verlangen. Da regte und bewegte sich alles, wie zum frohen Leben
erwacht. Blumen und Blüten dufteten um ihn her, und ihr Duft war wie herrlicher Gesang von
tausend Flötenstimmen; und was sie gesungen, trugen im Widerhall die goldenen vorüberfliehenden
Abendwolken in ferne Lande. Aber als der letzte Strahl der Sonne schnell hinter den Bergen
verschwand und nun die Dämmerung ihren Flor über die Gegend warf, da rief, wie aus weiter
Ferne, eine rauhe tiefe Stimme:
Hei, hei! was ist das für ein Gemunkel und Geflüster da drüben? — Hei, hei! wer sucht mir doch
den Strahl hinter den Bergen! genug gesonnt, genug gesungen. — Hei, hei! durch Busch und Gras
— durch Gras und Strom! — Hei, — hei — Her u — u — u nter — Her u — u — u nter!
So verschwand die Stimme wie im Murmeln eines fernen Donners, aber die Kristallglocken
zerbrachen im schneidenden Mißton. Alles war verstummt, und Anselmus sah, wie die drei
Schlangen schimmernd und blinkend durch das Gras nach dem Strome schlüpften; rischelnd und
raschelnd stürzten sie sich in die Elbe, und über den Wogen, wo sie verschwunden, knisterte ein
grünes Feuer empor, das in schiefer Richtung nach der Stadt zu leuchtend verdampfte.
ZWEITE VIGILIE.
Wie der Student Anselmus für betrunken und wahnwitzig gehalten wurde. — Die Fahrt über die
Elbe. — Die Bravourarie des Kapellmeisters Graun. Conradis Magen-Likör und das bronzierte
Äpfelweib.
»Der Herr ist wohl nicht recht bei Troste«, sagte eine ehrbare Bürgersfrau, die vom Spaziergange
mit der Familie heimkehrend, still stand und mit übereinandergeschlagenen Armen dem tollen
Treiben des Studenten Anselmus zusah. Der hatte nämlich den Stamm des Holunderbaumes umfaßt
und rief unaufhörlich in die Zweige und Blätter hinein: »O nur noch einmal blinket und leuchtet, ihr
lieblichen goldnen Schlänglein, nur noch einmal laßt eure Glockenstimmchen hören! Nur noch
einmal blicket mich an, ihr holdseligen blauen Augen, nur noch einmal, ich muß ja sonst vergehen
in Schmerz und heißer Sehnsucht!« Und dabei seufzte und ächzte er aus der tiefsten Brust recht
kläglich, und schüttelte vor Verlangen und Ungeduld den Holunderbaum, der aber statt aller
Antwort nur ganz dumpf und unvernehmlich mit den Blättern rauschte, und so den Schmerz des
Studenten Anselmus ordentlich zu verhöhnen schien. — »Der Herr ist wohl nicht recht bei Troste,«
sagte die Bürgersfrau, und dem Anselmus war es so, als würde er aus einem tiefen Traum gerüttelt
oder gar mit eiskaltem Wasser begossen, um ja recht jähling zu erwachen. Nun sah er erst wieder
deutlich, wo er war, und besann sich, wie ein sonderbarer Spuk ihn geneckt und gar dazu getrieben
habe, ganz allein für sich selbst in laute Worte auszubrechen. Bestürzt blickte er die Bürgersfrau an
und griff endlich nach dem Hute, der zur Erde gefallen, um davon zu eilen. Der Familienvater war
unterdessen auch herangekommen und hatte, nachdem er das Kleine, das er auf dem Arm getragen,
ins Gras gesetzt, auf seinen Stock sich stützend mit Verwunderung dem Studenten zugehört und
zugeschaut. Er hob jetzt Pfeife und Tabaksbeutel auf, die der Student fallen lassen, und sprach,
beides ihm hinreichend: »Lamentier' der Herr nicht so schrecklich in der Finsternis, und vexier' Er
nicht die Leute, wenn ihm sonst nichts fehlt, als daß Er zu viel ins Gläschen geguckt — geh' Er fein
ordentlich zu Hause und leg' Er sich aufs Ohr!« Der Student Anselmus schämte sich sehr, er stieß
ein weinerliches Ach! aus. — »Nun, nun«, fuhr der Bürgersmann fort, »laß es der Herr nur gut sein,
so was geschieht dem Besten, und am lieben Himmelfahrtstage kann man wohl in der Freude seines
Herzens ein Schlückchen über den Durst tun.
Das passiert auch wohl einem Manne Gottes — der Herr ist ja doch wohl ein Kandidat. — Aber
wenn es der Herr erlaubt, stopf' ich mir ein Pfeifchen von seinem Tabak, meiner ist mir da droben
ausgegangen.« Dies sagte der Bürger, als der Student Anselmus schon Pfeife und Beutel einstecken
wollte, und nun reinigte der Bürger langsam und bedächtig seine Pfeife, und fing eben so langsam
an zu stopfen. Mehrere Bürgermädchen waren dazugetreten, die sprachen heimlich mit der Frau und
kicherten mit einander, indem sie den Anselmus ansahen. Dem war es, als stände er auf lauter
spitzigen Dornen und glühenden Nadeln. So wie er nur Pfeife und Tabaksbeutel erhalten, rannte er
spornstreichs davon. Alles was er Wunderbares gesehen, war ihm rein aus dem Gedächtnis
geschwunden, und er besann sich nur, daß er unter dem Holunderbaum allerlei tolles Zeug ganz laut
geschwatzt, was ihm denn um so entsetzlicher war, als er von jeher einen innerlichen Abscheu
gegen alle Selbstredner gehegt. Der Satan schwatzt aus ihnen, sagte sein Rektor, und daran glaubte
er auch in der Tat. Für einen am Himmelfahrtstage betrunkenen Candidatus theologiae gehalten zu
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