Der Spiegel 2007 32.pdf

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DAS DEUTSCHE NACHRICHTEN-MAGAZIN
Hausmitteilung
6. August 2007
Betr.: Titel, 50 Cent, SPIEGEL SPECIAL
D er Irak ist das dominante Thema im US-Wahlkampf: Im September muss General
David Petraeus, Oberbefehlshaber der Operation „Iraqi Freedom“, dem Kongress
einen Lagebericht erstatten, ebenso Ryan Crocker, der neue Botschafter in Bag-
dad. Davon wird abhängen, ob
und wann die derzeit 160 000
amerikanischen Soldaten abziehen
werden. In dieser historisch auf-
geladenen Situation bereisten
SPIEGEL-Reporter Ullrich Ficht-
ner, 42, und Fotografin Tina Ha-
ger, 43, drei Wochen lang den
Irak und sprachen ausführlich mit
beiden Männern. Es war Fichtners
vierte Irak-Tour seit Kriegsaus-
bruch im März 2003. Damals schon lernte er Petraeus kennen, der
seinerzeit die 101. Airborne Division befehligte. Im Frühjahr 2004
traf er ihn wieder, diesmal im Norden, und schließlich Ende 2006, als
Petraeus in Fort Leavenworth, Kansas, an der neuen Anti-Rebellen-
Doktrin des Militärs arbeitete. Jetzt wurde Fichtner vom Vier-Sterne-
General, der über die Jahre E-Mail-Kontakt gehalten hatte, wie ein
alter Bekannter begrüßt. Der SPIEGEL-Mann hatte sich zuvor ein Bild
vom Zustand des zerrütteten Staates verschafft. Sein Fazit: „Die Fern-
sehbilder immer neuer Bombenanschläge führen in die Irre. Im Augenblick sind weite
Teile des Irak befriedet – aber seine Zukunft ist noch nicht entschieden“ (Seite 84).
Petraeus, Fichtner
Hager
R endezvous mit einem Rapper: Vor einigen Wochen saß SPIEGEL-Redakteur Mat-
thias Matussek, 53, bei der „Spiderman“-Premiere im Kino in Berlin, als Sohn
Markus, 13, ihm zuzischelte: „Papa, sei jetzt bitte nicht peinlich – dreh dich nicht um,
aber hinter uns sitzt 50 Cent.“ Tatsächlich, Gangsta-Rapper 50 Cent, einer der
erfolgreichsten HipHopper, war auch da, und Ma-
tussek benahm sich absolut peinlich – er bat den
Muskelberg, seinem Sohn die Hand zu schütteln.
Später, während der Vorbereitung eines 50-Cent-In-
terviews, schaltete sich Markus immer wieder ein,
mit Infos, mit Ratschlägen, bis der Vater schließlich
raunzte: „Dann befrag ihn doch selbst!“ Das Ma-
nagement fand die Idee cool, und so führte der Ju-
nior das Gespräch quasi im Alleingang, sekundiert
vom Vater und von SPIEGEL-Mitarbeiter Christoph
Dallach, 42. Markus wollte ungewöhnliche Dinge wissen: „Wie ist es eigentlich, ange-
schossen zu werden?“ oder „Was haben Sie vom Drogendealen gelernt?“ (Seite 140).
50 Cent, Markus Matussek
A ls Kanzler nannte Gerhard Schröder Familienpolitik „Ge-
döns“, heute hat sie hohe Priorität. Das von SPIEGEL-
Redakteurin Karen Andresen konzipierte SPECIAL „Sehn-
sucht nach Familie – Die Neuerfindung der Tradition“ analy-
siert den familiären Alltag und stellt neue Konzepte vor, wie
sich Erziehung und Karriere vereinbaren lassen oder wie Jung
und Alt gemeinsam wohnen können. Senta Berger und ihr
Mann Michael Verhoeven berichten über 41 Ehejahre; die
Grüne Krista Sager erzählt vom Glück, ein Zwillingskind zu
sein. Das Heft ist ab Dienstag für sechs Euro im Handel.
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Im Internet: www.spiegel.de
der spiegel
32/2007
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In diesem Heft
Titel
Wie die Amerikaner im Irak Enklaven
des Friedens geschaffen haben – und täglich
neue Herde des Terrors bekämpfen müssen ..... 84
Deutschland
Panorama: Nachwuchsprobleme plagen
Bundeswehr / Beamten droht Gehaltskürzung /
Bund beteiligt sich an EADS ............................ 14
Landwirtschaft: Die Globalisierung erreicht
Europas Milchbranche ...................................... 18
Außenpolitik: International wichtige
Entscheidungen werden an Deutschland
vorbei getroffen ................................................ 22
Wie Washington vermeintliche Verbündete
aufrüstet ........................................................... 24
CDU: SPIEGEL-Gespräch mit
NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers über
Familienpolitik und die Heimatlosigkeit
der Konservativen in seiner Partei ................... 26
Extremisten: Top-Neonazi bringt der NPD
Sponti-Tricks bei .............................................. 32
Sozialdemokraten: Meinungsforscher
Manfred Güllner versetzt die SPD mit seinen
Prognosen in Aufregung ................................... 36
Behörden: Umstrittene Software-Einführung
kostet Länder Hunderte Millionen Euro .......... 38
Reisen: Britische Sauftouristen
machen Berlin unsicher .................................... 39
Schicksale: Die Kinder sowjetischer
Besatzungssoldaten suchen ihre Väter .............. 40
Entführungen: Interview mit dem
Rechtsmediziner Hans Dieter Tröger über die
Obduktion der ermordeten Geisel Rüdiger D. ... 45
Verbraucher: Giftige China-Importe
verunsichern europäische Kunden ................... 46
Serie
Die Retter der Welt (III): Flüsse und Seen
verschwinden, der australische Kontinent
trocknet aus – und Wissenschaftler suchen
nach Lösungen, wie man weltweit
mit immer weniger Wasser überlebt ................. 48
Wirtschaft
Trends: Geländewagenboom trotz
Klimadebatte / Stromkunden wechseln bislang
eher den Tarif als den Anbieter / Interview
mit DIHK-Geschäftsführer Martin Wansleben
über Weiterbildung im Urlaub ......................... 54
Banken: Was die US-Immobilienkrise für
das weltweite Finanzsystem bedeutet ............... 56
Konzerne: BMW steht vor
einem einschneidenden Strategiewechsel ......... 60
Lebensmittel: Neue Zahlen über
Krebsgift in Kartoffelchips ................................ 62
Tarifstreit: SPIEGEL-Gespräch mit
Bahnchef Hartmut Mehdorn über den Krach
mit seinen Lokführern und die
politischen Gegner des Börsengangs ................ 64
Musikindustrie: Der schrille Kampf
zwischen den Musikprofis Thomas Stein
und Jack White ................................................ 67
Medien
Trends: Edeka zieht Werbung bei
Bertelsmann ab / Bundesliga-Paket von
Premiere sorgt für Senderstreit ........................ 70
Fernsehen: Vorschau / Rückblick ..................... 71
TV-Manager: ARD-Programmdirektor
Günter Struve bereitet seinen Ausstieg vor ...... 72
Journalisten: Dubiose Strafverfahren
gegen Investigativreporter ................................ 75
Durst auf deutsche Milch wächst
Seite 18
Die Globalisierung erreicht
eine bislang allenfalls regio-
nal operierende Branche: die
hiesige Milchwirtschaft. Weil
alle Welt, sogar die Chinesen,
neuerdings nach Molkerei-
produkten giert, werden auch
hierzulande Joghurt, Quark
und Käse knapper und damit
teurer. Die Angst vor Milch-
seen und Butterbergen war
gestern. Plötzlich wollen deut-
sche Politiker die alten euro-
päischen Quotierungen los-
werden – zum Entsetzen vie-
ler kleiner Bauern.
Milchproduktverpackungen (in Peking)
Hitlers Platten aus der Reichskanzlei Seite 113
Als Souvenir nahm Sowjetoffizier Lew Be-
symenski im Mai 1945 eine Kiste voller
Schallplatten aus dem Berliner Führer-
hauptquartier mit in seine Heimat. Der
SPIEGEL fand die Schellack-Scheiben jetzt
unweit von Moskau wieder. Überraschend
ist: Hitler hörte nicht nur Wagner, sondern
auch jüdische Interpreten und russische
Musik.
Wagner-Schwiegertochter Winifred, Hitler
BMW-Konzern vor Kursänderung
Seite 60
Die erfolgsverwöhnten Münchner Autobauer werden nervös: Zwar steigt der Absatz,
doch der Gewinn sinkt. „Für uns gibt es keine rosa Wolken mehr“, warnt BMW-Chef
Norbert Reithofer und kündigt einen teils überraschenden Strategiewechsel an. Er will
künftig sogar enger mit dem Erzrivalen Mercedes zusammenarbeiten.
Teures
Spektakel
Seite 118
Früher war Bayern Münchens Manager
Uli Hoeneß stolz auf ein pralles Fest-
geldkonto, auf dem Spielertransfermarkt
agierte er gern defensiv. Zur neuen Bun-
desliga-Saison gab der Club nun 70 Mil-
lionen Euro für Stars wie den Franzosen
Franck Ribéry aus. Die teuerste Mann-
schaft der deutschen Fußballgeschichte
soll für ein Spektakel sorgen.
Ribéry (M.)
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Gesellschaft
Szene: Plagiat-Aufspürer im Internet /
Buch über den Alltag von
Extremisten / Hundefleisch auf Bestellung ....... 77
Eine Meldung und ihre Geschichte – wie ein
Polizist seine gestohlene Harley wiederfand ..... 83
Ortstermin: Der brandenburgische
Infrastrukturminister setzt auf
Fahrstuhlförderung für den Aufbau Ost ........... 99
Ausland
Panorama: Moskaus Druck auf
Lukaschenko / Tokios Ausbruch aus der
Isolation / Unruhe auf Jamaika ....................... 101
USA: Die glorreichen drei aus New York ........ 104
Israel: Der lange Schatten
des Koma-Patienten Ariel Scharon ................. 107
Indien: Auf dem Weg zur Weltmacht ............. 108
Zeitgeschichte: Wie Hitlers
Schallplattensammlung nach Moskau kam ...... 113
Global Village: Die Haushaltssklaven
von Bahrein .................................................... 115
Sport
Szene: Drogenboss streitet mit Diego
Maradona / Geschäfte mit VIP-Plätzen ........... 117
Fußball: Der runderneuerte FC Bayern ......... 118
Emanzipation: Interview mit der
Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus über ihren
Einsatz im Profi-Fußball der Männer .............. 121
Wissenschaft · Technik
Prisma: Steinzeitmenschen opferten
Behinderte / Schadet Ritalin dem Gehirn? ...... 122
Klima: Die Sonne schwächelt –
neue Messungen aus der Schweiz stellen
einen Rückgang der Strahlung fest ................. 124
Ökologie: Versuchslabor der Schöpfung
in der Lausitz .................................................. 127
Medizin: SPIEGEL-Gespräch mit dem
US-Arzt und Autor Jerome Groopman über
typische Irrtümer seiner Zunft ........................ 128
Computerspiele: Schnitzeljagd per Handy ... 131
Kultur
Szene: Sänger Elvis Perkins über seine
berühmten Eltern und altmodische Tonbänder /
Die Lolitas des Malers Balthus in einer großen
Ausstellung im Kölner Museum Ludwig ......... 133
Beutekunst: Nicht nur Polen hält
beschlagnahmtes deutsches Kulturgut zurück –
sogar im Louvre hängt Kunst, die
aus Deutschland mitgenommen wurde ........... 136
Pop: Interview mit Gangsta-Rapper 50 Cent
über seine Vergangenheit auf der
Straße und die Politik von George W. Bush .... 140
Geistesgrößen (III): Der Hirnforscher und
Pädagoge Gerald Hüther fordert einen
Paradigmenwechsel in der Biologie ................ 142
Kino: Die immer aufwendigeren
Computeranimationen in Filmen lassen
das Publikum zunehmend kalt ....................... 144
Bestseller ..................................................... 146
Nachrufe: Zum Tode von Ingmar Bergman
und Michelangelo Antonioni .......................... 147
Nahaufnahme: Der Komiker Beppe Grillo ist
Italiens gefürchtetste Ein-Mann-Opposition ... 148
Downtown Manhattan (mit Brooklyn Bridge)
New Yorker drängen ins Weiße Haus Seite 104
Zurück an der Spitze: Die Lähmung nach den Terroranschlägen ist längst vergessen,
New York genießt neue Glanzzeiten und freut sich auf eine Präsidentschaftswahl als
Heimspiel prominenter Lokalmatadore. Senatorin Clinton, Ex-Bürgermeister Giuliani
und Bürgermeister Bloomberg könnten das Rennen unter sich ausmachen.
Schwache Sonne Seite 124
Ist der Mensch oder doch die Sonne schuld an der
Erderwärmung? Neue, einzigartig präzise Daten
liefern nun eine Antwort auf die alte Streitfrage.
Die Sonne schwächelt, die globale Temperatur in-
des steigt weiter an.
Sonnenaufnahme der Soho-Sonde
Beutekunst im Louvre Seite 136
Viele Museen in Russland, Polen, Ungarn, Frankreich
und den USA hängen voller Gemälde, die Soldaten
der Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg aus
Deutschland entführten. Die neuen Besitzer wollen
aber nicht über die Rückgabe verhandeln.
US-Soldaten bei Beschlagnahmeaktion (1945)
„Du spürst die Schüsse kaum“
Seite 140
Mit neun Kugeln wurde Curtis Jack-
son als Straßendealer in New York
niedergestreckt – als 50 Cent ist er
der erfolgreichste und beliebteste
Gangsta-Rapper der Gegenwart. Im
SPIEGEL-Interview spricht er über
Drogen, seinen Kollegen Eminem
und Präsident George W. Bush.
Briefe ................................................................ 6
Impressum, Leserservice ............................ 152
Chronik .......................................................... 153
Register ........................................................ 154
Personalien ................................................... 156
Hohlspiegel /Rückspiegel ........................... 158
Titelbild: Foto Tina Hager / Agentur Focus für den SPIEGEL
50 Cent
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der spiegel
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Briefe
Es ist schon lustig, wie sich die Neurologie
im Kapitalismus zum Angriff auf den Begriff
des freien Willens im Strafgesetz einspan-
nen lässt, während das Bürgerliche Gesetz-
buch tunlichst außen vor bleibt. Das gesam-
te Rechtswesen beruht auf dem in freiem
Willen eingegangenen Vertrag. Ich werde
meiner Bank mitteilen, dass ich den Kredit
unmöglich freiwillig unterzeichnet haben
kann und die Zinszahlungen einstelle.
Seehausen am Staffelsee Dr. Pia Mayer-Gampe
„Bemerkenswert ist, dass die beiden
Wissenschaftler den häufigsten Grund
für Massenmord vernachlässigen,
nämlich die Ausschaltung der Empathie
und des menschlichen Moralempfindens
durch die Ideologie.“
Als die Autoren unseres Grundgesetzes die
Artikel über die Menschenwürde sowie
über den demokratischen sozialen Rechts-
staat für ganz und gar unantastbar erklär-
ten, konnten sie sich noch auf das Natur-
recht berufen. Seinerzeit ein überzeugen-
des Argument gegen das gerade besiegte
Willkürregime, heute jedoch oftmals als
Relikt einer Denkschule belächelt, die den
Kosmos und seine Gesetze als ewig vor-
aussetzt. Da nunmehr im Lichte der Evo-
lutionslehre der Wandel regiert, ist es umso
erfreulicher, dass jetzt eine unserer Dispo-
sition entzogene Verwurzelung des Rechts
in den Tiefen des Unbewussten entdeckt
wurde. Eine nicht zu unterschätzende Le-
gitimation für unsere Verfassung!
Northeim (Nieders.)
Clemens Narloch aus Lindau am Bodensee zum Titel
„Das Böse im Guten – Die Biologie von Moral und Unmoral“
SPIEGEL-Titel 31/2007
sie nicht finden. Im 20./21. Jahrhundert
forschten und forschen die Neurowissen-
schaftler nach dem Geist des Menschen und
können ihn nicht entdecken. Die morali-
sche Entwicklung des Menschen wird durch
seine Umwelt und durch sein geistiges Ver-
halten geprägt. Nach Lawrence Kohlberg ist
die Entwicklung der moralisch prinzipien-
Mitten ins Herz
Nr. 31/2007, Titel: Das Böse im Guten – Die Biologie
von Moral und Unmoral
Menschen wie Marionetten, gezogen an
Fäden von unbekannten Kräften, das ist
das Bild vom determinierten Menschen.
Wenn nur das richtig wäre, befände sich
der Homo sapiens auf eingleisiger Strecke,
eine Art Zombie. Das kann nicht im Sinne
einer alles ausprobierenden Natur sein.
Eine Art Zufallsgenerator, an dem wir be-
wusst mitdrehen dürfen, das ist das, was
wir „freier Wille“ nennen.
Berlin
Werner Kammeyer
Amtsrichter i. R.
Ihren Artikel finde ich exzellent, er trifft die
Schuldfrage mitten ins Herz. Das Gewissen
ist keine psychische Kompassnadel, es hängt
von zahlreichen Faktoren ab. Kennt die
Psychiatrie doch schon lange das Phänomen
des unerträglichen Schuldwahns bei endogen
Depressiven. Hier ist offenbar die Stärke der
Schuldgefühle umgekehrt proportional dem
Ausmaß sozial schädlichen Verhaltens.
Hattersheim am Main Dr. Günter Fleckenstein
Helmut Olsen
Die alte Variante der Welterklärungsformel
„Das Sein bestimmt das Bewusstsein“ wan-
delt sich bei Markowitsch in eine neue, na-
turwissenschaftliche Variante einer ideolo-
gischen Totalerklärung. Hier wie dort gibt
es im Grunde keine Verantwortung für das
subjektive Handeln, da alles determiniert
ist. Recht wird durch Psychiatrie ersetzt,
Sühne durch Therapie, und statt eines Ur-
teils gibt es eine Diagnose für den Täter.
Man kann nur hoffen, dass dieser Blödsinn
nicht in die Realität umgesetzt wird!
Hannover
Brudermord-Gemälde aus dem 17. Jahrhundert
Das Gewissen ist keine Kompassnadel
Markowitsch hat auch in juristischem Sinne
recht, wenn er sagt, dass schuldfähig be-
deute, dass sich der Täter frei entscheiden
können muss, sich anders zu verhalten. Ob
es diese Entscheidungsfähigkeit gibt, ist frag-
lich. Ich glaube wie Reemtsma, dass wir aus
verschiedensten Gründen ein rechtliches
Schuldsystem mit der Zuweisung von Ver-
antwortung an das Individuum brauchen,
ebendarum ist es wichtig, dieses auf ein
solides und von der Mehrheit einer Gesell-
schaft akzeptiertes Fundament zu stellen.
Regensburg
geleiteten Persönlichkeit als verantwortlich
handelnder Mensch ein Reifungsprozess,
der sich auch nicht durch seine Moralstufen
erzwingen lässt. Für Neurowissenschaftler
bleibt trotz vieler Theorien die menschliche
moralische Fähigkeit ein Geheimnis. Dass
der Mensch als moralische Person handeln
kann, ist ein Wunder und bedarf der
menschlichen Entscheidungsfähigkeit.
München
Werner Nienhaus
Es sollte eigentlich niemanden wundern,
dass auch das Moralverhalten des Men-
schen biologisch determiniert ist. Wie
schwer sich viele mit dieser Erkenntnis tun,
beweisen nicht nur die weitverbreitete jahr-
zehntelange Ignoranz der Ergebnisse klas-
sischer ethologischer Forschung, sondern
auch die „modernen“, humanistisch ge-
prägten Gesellschaftskreise, wie beispiels-
weise das Streitgespräch mit Hans Marko-
witsch und Philipp Reemtsma belegt: Auch
nicht um den Preis der Wahrheit scheint
Herr Reemtsma bereit zu sein, aufgrund
neurobiologischer Erkenntnisse grundsätz-
liche Konsequenzen für die Gesellschafts-
ordnung zuzulassen – steht doch der abend-
ländische Humanismus auf dem Spiel.
Schaafheim (Hessen)
Dr. Horst Jesse
Pfarrer
Dr. Thomas Galli
Vor 50 Jahren der spiegel vom 7. August 1957
Memorandum zur Rückführung Deutscher aus der Sowjetunion
Scharfe Kritik aus Moskau. Kriegsdienstverweigerer Asyl in der Kirche.
Londoner Abrüstungsverhandlungen „Bescheidene Wünsche“. Motiv-
forschung wird immer wichtiger „Attentat gegen das abendländische
Menschenbild“. Bayreuther Festspiele Fanatischer Beifall. Premiere
von Eugene O’Neills „Fast ein Poet“ Ein „beinahe versöhnliches“ Stück.
Makabres Forschungsprojekt Missgeburt aus der Retorte.
Jens Keller
Diese Artikel sind im Internet abzurufen unter www.spiegel.de
oder im Original-Heft unter Tel. 08106-6604 zu erwerben.
Im 19. Jahrhundert suchten die Mediziner
nach der Seele des Menschen und konnten
Titel: „Simplicissimus“-Karikatur 1914
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