Blaulicht 271 - Siebe, Hans - Der Beweis.pdf

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Blaulicht 271
Hans Siebe
Der Beweis
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1989
Lizenz Nr.: 409 160/201/89 LSV 7004
Umschlagentwurf: Schulz / Labowski
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 854 5
00045
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Die Scheinwerfer eines Lada-Pkws zerteilen die Dunkelheit,
tauchen einen Maschendrahtzaun in grelles Licht und gleiten
eine Taxushecke entlang. Bis auf eine streunende Katze liegt die
Straße verlassen da, und nur das Motorengeräusch unterbricht
die Stille. Die Häuser in den Obstgärten scheinen zu schlafen.
Der Lada biegt in einen Seitenweg ein, der auf die Felder
hinausführt, und hält. Der Motor verstummt, die Scheinwerfer
verlöschen; Stille und Finsternis wirken jetzt, als könne man sie
mit den Händen greifen.
Der Fahrer steigt aus und lauscht, schließt dann behutsam die
Tür. Seine Bewegungen verraten, daß er mit der konturlosen
Umgebung verschmelzen und in das Nichts eintauchen möchte,
das ihn wie Watte umhüllt.
Aus dem Gepäckraum nimmt er ein Paar derbe
Lederhandschuhe und streift sie über. Er probiert die
Handlampe aus, sie blitzt sekundenlang auf und wirft einen
schmalen Lichtstrahl. Der Mann, mittelgroß und gedrungen,
bewegt sich dennoch behende, er schließt leise die Klappe. Seine
Augen gewöhnen sich an die Nachtschwärze und unterscheiden
nun die Umrisse von Büschen und Bäumen. Er läuft lautlos an
den Gartenzäunen entlang und verrät so, daß er den Weg kennt.
Der Mann begibt sich in eine Nebenstraße und findet
nachtwandlerisch sicher sein Ziel: eine Grundstückseinfahrt mit
zerborstenem Torpfosten. Der Mann bleibt lauschend stehen,
doch außer einem klagenden Käuzchenruf hört er nichts. Über
die Pfeilersteine hinweg läuft er zu einem bizarren
Trümmerberg. Der ragt dort auf, wo vor drei Tagen noch eines
jener Einfamilienhäuser stand, wie sie für die Gartenstadt von
Zantes typisch sind. Die Dunkelheit verbirgt den trostlosen
Anblick.
Der Lichtstrahl der Handlampe tastet über die aus dem Schutt
herausragenden Balken und gleitet über Möbelreste hinweg, die
unter zerborstenem Mauerwerk verschüttet sind. Der Mann
erklimmt den Schutthaufen und stellt die Lampe auf einen Stein.
Bei dem diffusen Licht räumt er Mauerbrocken beiseite und ist
bemüht, es geräuschlos zu tun. Doch ab und an klacken Ziegel
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aufeinander, und es prasselt, wenn Schutt nachrutscht. Dann
löscht der Mann die Lampe und lauscht regungslos.
Im Volkspolizei-Kreisamt Zantes versieht Oberleutnant
Siegfried Brauer den Kriminaldauerdienst und nutzt die
Bereitschaft, um fällige Berichte zu schreiben. Gegen
Mitternacht wird er müde und überlegt, ob er dem mit Kaffee
oder mit Freiübungen begegnen soll. Er entscheidet sich fürs
letztere, zieht das Jackett aus, hängt es über die Stuhllehne und
öffnet das Fenster. Draußen herrscht mondlose Finsternis; der
Himmel scheint mit schwarzen Tüchern verhangen zu sein.
Brauer atmet die kühle Nachtluft ein und beginnt mit ein paar
Kniebeugen, er spürt, wie das Blut rascher durch die Adern
pulsiert und die Trägheit vertreibt. Mit Fünfunddreißig sollte der
Bauchansatz weniger markiert sein, findet er. Schuld daran gibt
er dem Umstand, daß er vor einem Jahr das Rauchen aufgab.
Ritas Kochkunst ist dafür nicht verantwortlich; sie brutzelt nur
sonntags, wochentags verpflegt ihn die Dienststelle.
Brauer schließt das Fenster, öffnet die Schranktür und kämmt
vor dem innen hängenden Spiegel das kurzlockige Haar mit dem
Stich ins Rötliche. Erfrischt setzt er sich an den Schreibtisch und
greift nach einer Ermittlungssache, einem Einbruchsdiebstahl in
einen Tabakwaren- und Spirituosenkiosk der
Handelsorganisation. Bevor er die Akte aufschlagen kann,
schnarrt die Wechselsprechanlage, und Brauer drückt die Taste.
»Ja, was gibt’s?«
Blechern klingt aus der Membrane die Stimme von
Polizeimeister Trenkner aus der Leitstelle: »Der Bürger Klinke
ist am Apparat, Genosse Oberleutnant. Es geht wieder um den
Lampenmann. Soll ich durchstellen?«
»Ja, bitte!«
Es knackt in der Leitung, dann meldet sich dieselbe nörgelige
Altmännerstimme wie in der Nacht zuvor: »Klinke hier. Mit
wem spreche ich?«
»Oberleutnant Brauer. Was gibt es denn, Herr Klinke?«
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