Geister Krimi - 022 - Das Blutgericht der Medusa.rtf

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Das Blutgericht der Medusa

 

Edgar Tarbot

 

Ein knallharter Schauer-Schock-Thriller

 

Die schaurigen Ereignisse hatten ein ganz gewöhnliches Verbrechen zum Vorspiel.

Ein heller Lichtkegel leckte gespenstisch über den teuren Perserteppich. Ein undeutlich erkennbarer Schatten huschte mit der Taschenlampe in der Hand durch die Wohnhalle des außerhalb Londons gelegenen Hauses. Dunkelheit brütete in dem weiten Raum, an dessen Wänden koreanische Bambustapeten klebten.

Der Schatten erreichte lautlos wie ein körperloses Wesen die Verbindungstür, die von der Wohnhalle in das angrenzende Arbeitszimmer führte. Er öffnete sie vorsichtig und trat dann schnell ein.

Einige Augenblicke später hatte der Eindringling sein Ziel erreicht: den Safe. Ein grünes Ding, fast mannshoch, breit und schwer.

Der Mann grinste zufrieden, schob einen Stuhl an den Safe heran und legte die Taschenlampe darauf.

Dann holte er schwarze Zwirnhandschuhe hervor und streifte sie mit flinken Bewegungen über die milchig wirkenden Hände.

Im Haus war alles ruhig. Man schlief. Es war knapp nach Mitternacht.

Der Mann griff nach dem Rädchen der Zahlenkombination und begann mit einer solchen Gewissheit daran zu drehen, als wäre das sein Safe und er wüsste die Kombination sogar dann, wenn er aus tiefstem Schlaf gerissen würde.

Innerhalb kürzester Zeit ließ sich die schwere Stahltür geräuschlos aufziehen. Den Mann interessierte das im Safe befindliche Geld nicht im geringsten. Seine Hand schnellte vor. Er griff nach dem kleinen schwarzen Attachekoffer und zog ihn vorsichtig heraus.

Wieder grinste der Einbrecher zufrieden. Er war wegen dieses Koffers hierher gekommen. Nun befand sich der Koffer in seinem Besitz. Wenn er jetzt das Haus auf demselben Weg, den er zuvor gekommen war, und ebenso geräuschlos wie vorhin wieder verließ, war die Sache für ihn bestens gelaufen.

Der Mann reckte sich. Da flammte plötzlich die vierflammige Deckenbeleuchtung auf. Der Einbrecher fuhr mit einem Laut herum, der zwischen Stöhnen und Krächzen lag.

Der Eindringling sah sich dem verschlafen wirkenden Hauseigentümer gegenüber. Der Wissenschaftler Rober Cobb hatte seinen schwammigen Körper in einen tabakbraunen Schlafrock gehüllt. Sein Haar war zerzaust. Sein Gesicht wies die Abdrücke des Polsters auf. Es waren dunkelrote Striche.

Robert Cobb starrte den Eindringling verdattert an.

»Gene!« preßte er verwirrt hervor. »Was tust du in meinem Haus?« Er blickte auf den schwarzen Attachekoffer, den Gene Foch zu stehlen beabsichtigt hatte. »Was hast du vor?«

Gene Foch traten dicke Schweißperlen auf die Stirn. Er wußte, daß er den Wissenschaftler nun töten mußte.

 

 

*

 

Oben im Schlafzimmer rollte sich die dickliche Frau des Wissenschaftlers im Bett ruhelos hin und her. Sie schlief schlecht, träumte hässliche Dinge und schreckte plötzlich ächzend hoch.

Verwirrt stellte sie fest, daß ihr Mann das Schlafzimmer verlassen hatte. Sie vermutete, daß er ebenfalls unruhig geschlafen hatte und in die Küche hinuntergegangen war, um seinen Magen mit einer Alka-Selzer-Tablette zu versöhnen, denn sie hatten zu üppig zu Abend gegessen. Das rächte sich nun.

Ada Cobb erhob sich schlaftrunken, griff nach dem dünnen Schlafrock und warf ihn sich gähnend über die runden, gepolsterten Schultern. Sie zog das dünne Ding vor dem mächtigen Busen fröstelnd zusammen, schlüpfte in die flauschigen Pantoffel und verließ das Schlafzimmer, um ihren Mann in der Küche aufzusuchen.

Nachdem sie die Hälfte der Treppe zurückgelegt hatte, hörte sie Stimmen. Und sie sah Licht. Stimmen und Licht kamen nicht aus der Küche, sondern aus dem Arbeitszimmer ihres Mannes.

Nanu, dachte Ada Cobb erstaunt, mit wem spricht Robert denn?

Sie blieb einen Moment stehen, um zu lauschen. Die Stimmen waren zwar zu hören, aber die Worte waren so unverständlich, daß sie zu einem monotonen Gemurmel verschmolzen.

Ohne es zu wollen, setzte Ada Cobb die nächsten Schritte ein wenig vorsichtiger, als wollte sie nicht bemerkt werden. Sie hatte das Gefühl, daß dort unten etwas Unangenehmes auf sie wartete. Und obwohl sich dieses Gefühl mit jedem Schritt, den sie machte, verstärkte, war sie nicht fähig, einfach kehrtzumachen und wieder nach oben zu gehen. Ihre Neugierde war eben doch stärker.

Sie erreichte die Wohnhalle und gelangte zur Tür, die ins Arbeitszimmer führte. Nun waren die Stimmen bereits deutlich zu hören, und sie bildete sich ein, die ihres Mannes und eine andere bekannte Stimme zu hören: die von Gene Foch.

Ein erleichterter Seufzer entrang sich ihrer voluminösen Brust. Wenn Robert mit Gene sprach, war nichts zu befürchten.

Mit einigen wenigen Schritten stand sie dann in der Tür. Und plötzlich sprang sie das eiskalte Entsetzen an. Die Situation, die sich ihr bot, war eindeutig. Gene Foch stand vor dem offenen Safe. Er hatte den Attachekoffer ihres Mannes in der Linken und eine Pistole in der Rechten.

Die Pistole zeigte genau auf die Brust des Wissenschaftlers.

Ada Cobb konnte nicht anders. Irgend etwas zwang sie, einen entsetzten Schrei auszustoßen.

 

 

*

 

»Reinkommen!« schrie Gene Foch sofort. Er war ein gutaussehender Mann mit einem männlich-markanten Gesicht, hellblauen, stechenden Augen und einem kantigen, sehr energisch wirkenden Kinn. Er war groß und schlank. Sein Alter lag zwischen fünfunddreißig und vierzig Jahren. Man konnte das sehr schwer schätzen.

»Los! Los! Los!« schrie Foch aufgeregt. »Mach schon, Ada!«

Robert Cobb war bleich geworden. Er zitterte vor Aufregung und Angst.

»Um Himmels willen, Gene, was hast du vor?«

Ada Cobb stellte sich mit verängstigtem Blick neben ihren Mann. Sie war so aufgeregt, daß sie den vollen Umfang der Gefährlichkeit dieser Situation gar nicht erfasste.

»So leid es mir tut«, sagte Gene Foch achselzuckend. »Ich muß euch töten.«

Ada schrie schrill auf.

»Wir dachten, du wärst unser Freund, Gene«, stöhnte der Wissenschaftler perplex.

»Ich war es«, erwiderte Foch eiskalt.

»Das ist doch nicht dein Ernst.«

»Und ich wäre wahrscheinlich auch in Zukunft euer Freund geblieben, wenn ihr mich bei diesem Einbruch nicht ertappt hättet«, sagte Foch vollkommen nüchtern.

Der Wissenschaftler legte seinen Arm um die Schultern seiner schluchzenden Frau.

»Die Umstände zwingen mich, etwas zu tun, was mir gegen den Strich geht«, sagte Foch aufrichtig. »Aber was soll ich jetzt noch machen? Ich muß es tun.« Erhob den Attachekoffer hoch. »Ich habe hiermit noch ungeheuer große Pläne.«

Robert Cobb riß bestürzt die Augen auf. Er schüttelte entsetzt den Kopf.

»Du bist wahnsinnig, Gene! Lass die Finger davon. Das bringt Unglück. Du weißt nicht, worauf du dich da einlässt. Ich hätte dieses unselige Ding gleich vernichten sollen. Es darf auf keinen Fall in falsche Hände gelangen. Das wäre entsetzlich, Gene. Es hätte grauenvolle Folgen.«

Gene Foch lächelte, doch dieses Lächeln erreichte nicht seine Augen.

»Es ist ein Reichmacher, Robert.«

»Es wird dich vernichten.«

»Davor habe ich keine Angst, Robert.« Foch musterte den Mann, mit dem er seit einigen Jahren befreundet war. »Als Wissenschaftler bist du zwar ein ungemein brauchbares Persönchen, aber dir fehlt der Geschäftssinn, der dazu gehört, um deine Ideen in klingende Münze umzuwandeln.«

Robert Cobb rang die Hände. Er schrie verzweifelt:

»Ich flehe dich an, lass die Finger davon, Gene!«

Foch schüttelte frostig den Kopf.

»Tut mir leid, Robert. Ich bin bereits anderweitig Verpflichtungen eingegangen. Tut mir wirklich leid, daß es ausgerechnet so kommen mußte. Wenn ihr oben in eurem Bett geblieben wäret, wäre das nun nicht nötig gewesen.«

Foch hob die Waffe.

Ada Cobb kreischte zum letztenmal. Dann krachte es zweimal, kurz und trocken.

Ada und Robert Cobb wurden zu Boden geworfen. Auf diese kurze Distanz waren beide Treffer sofort tödlich gewesen. Die Frau und der Mann lagen mit verrenkten Gliedern auf dem Teppich. Die Hand des Wissenschaftlers ruhte auf dem Arm der Frau. So waren die beiden selbst im Tod noch miteinander verbunden.

Foch steckte die Pistole mit einem bedauernden Achselzucken weg.

»Tut mir wirklich leid für euch beide«, sagte er mit belegter Stimme, und es war die Wahrheit.

 

 

*

 

Foch erreichte seinen vor dem Cobbschen Grundstück abgestellten Wagen. Er legte den schwarzen Attachekoffer, dessentwegen zwei unschuldige Menschen hatten sterben müssen, auf den Rücksitz. Dann lief Foch zum Kofferraum, klappte den Deckel hoch und griff hastig nach dem Benzinkanister, den er stets gefüllt mitführte.

Damit rannte er zum Haus des Wissenschaftlers zurück.

Er verschüttete viel Benzin im Arbeitszimmer des getöteten Freundes. Er übergoss die Leichen damit und verschüttete

das restliche Benzin so, daß eine feuchte Spur bis zum Kellerabgang lief, denn dort unten befand sich das Laboratorium des Wissenschaftlers. Dort unten befanden sich hochexplosive Stoffe. Wenn die mal mit dem Feuer in Berührung kamen, flog der halbe Bau in die Luft.

Es war soweit.

Alles war vorbereitet. Es fehlte nur noch das kleine Flämmchen, das das fürchterliche Inferno einleitete.

Schwitzend zündete sich Gene Foch eine Zigarette an. Verdammt, dachte er, warum hat das alles ausgerechnet so kommen müssen?

Beinahe hätte das Streichholz seine Finger verbrannt. Er ließ es fallen. Mit einem dumpfen Geräusch schnellte eine nach links und rechts davonlaufende Flammenwand hoch. Gierig fraß sich das Feuer bis zu den beiden Leichen durch, leckte gierig an den Vorhängen empor, verbrannte den Teppich, die Bücher in den Regalen. Ungeheuer schnell erreichte es den Kellerabgang.

Gene Foch beeilte sich, schnellstens aus dem Haus zu kommen. Als er seinen Wagen erreichte, schlugen die Flammen bereits züngelnd aus den Fenstern.

Foch startete den Motor und fuhr los. Eine halbe Meile vom brennenden Haus entfernt hielt er seinen Wagen noch einmal an. Er schaute zurück. Hohe Flammen röteten den tintigen Nachthimmel.

Plötzlich wurden massenhaft Funken nach oben geschleudert. Gleichzeitig rollte ein dumpfer Donner über die einsame Landschaft.

Die Flammen hatten also das Labor erreicht. Von diesem Moment an zerfetzte jeden Augenblick eine neuerliche Detonation die Stille der Nacht. Die Flammen und die Explosionen würden ganze Arbeit leisten. Sowohl vom Haus als auch von den beiden Leichen würde wohl kaum viel übrig bleiben.

In dieser Hinsicht beruhigt, setzte Gene Foch die Heimfahrt fort.

Er erreichte bald London. Kurz darauf bog er in die Straße ein, in der er wohnte. Ringsherum war kein einziges Fenster mehr erhellt. Man schlief. Es war mittlerweile zwei Uhr morgens geworden.

Foch steuerte seinen Wagen die gewundene Abfahrt zur Tiefgarage hinunter. Er schälte sich müde aus dem Fahrzeug, nahm den Attachekoffer wie eine große Kostbarkeit an sich und betrat kurz darauf den Lift, der ihn surrend zu der Etage hinaufbeförderte, in der er wohnte.

Daheim genehmigte er sich erst einmal einen sehr kräftigen Drink. Er hatte ein gewisses Unbehagen hinunterzuspülen. Es war nicht vorgesehen gewesen, daß Ada und Robert Cobb sterben mußten. Es war nur vorgesehen gewesen, daß er den Koffer klaute.

Nun, er wollte sich deshalb keine grauen Haare wachsen lassen. Was passiert war, war eben passiert. Es hatte keinen Sinn, sich nun Vorwürfe zu machen. Es war nicht mehr zu ändern.

Im großen und ganzen zählte ja doch nur der Attachekoffer. Und der befand sich nun in seinem Besitz.

Foch trank auch den zweiten vierfachen Drink wie Wasser. Nachdem der Whisky zu wirken begann, begab er sich zum Telefon. Während er wählte, leckte er sich über die trockenen Lippen.

Zweimal war das Signal zu hören. Dann eine Stimme, die Foch gut kannte: »Ja?«

»Ich bin's, Foch....

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